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Anders gemeint – verschlüsselte Formulierungen im Arbeitszeugnis

Von Rechtsanwältin Anja Gotsche |
16. Nov 2011
Aktuelles

In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht erneut zu sog. verschlüsselten Formulierungen im Arbeitszeugnis Stellung genommen:

Nach § 109 Abs. 1 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des

Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis darf gemäß § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen (Grundsatz der Zeugnisklarheit).

Der Kläger war in der Zeit vom 1. April 2004 bis zum 28. Februar 2007 als Mitarbeiter im „SAP Competence Center“ der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte erteilte ihm unter dem Beendigungsdatum ein Zeugnis. Dieses enthielt auszugsweise folgenden Absatz:

„Wir haben den Kläger als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Der Kläger war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“

Der Kläger wendet sich, soweit für die Revisionsinstanz noch maßgeblich, gegen die Formulierung „kennen gelernt“. Er hat die Auffassung vertreten, diese Formulierung werde in der Berufswelt überwiegend negativ verstanden. Damit bringe der Arbeitgeber verschlüsselt zum Ausdruck, dass gerade das Gegenteil der jeweiligen Aussage zutreffe. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers war vor dem Neunten Senat ohne Erfolg. Die im Zeugnis der Beklagten enthaltene Formulierung, „als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt“, erweckt aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts nicht den Eindruck, die Beklagte attestiere dem Kläger in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation.

PM des Bundesarbeitsgerichts

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2011 – 9 AZR 386/10 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 18. Dezember 2009 – 11 Sa 1092/08 –

Es gibt jedoch zahlreiche Fälle in der täglichen Praxis, in denen das Arbeitszeugnis – anders als im vorab dargestellten Fall – tatsächlich den Anforderungen des § 109 GewO nicht entspricht und durch verschlüsselte Botschaften ein negatives Bild von dem Arbeitnehmer vermittelt. Dies muss jeweils im konkreten Einzelfall überprüft werden.

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